Grußwort von Heiko Miraß

im Haus meiner Rügener Großeltern wurde regelmäßig Platt gesprochen, auch wenn mein Großvater als Dorfschullehrer und als Amtsperson in verschiedenen Funktionen immer auch zum Hochdeutschen verpflichtet war. Wenn es gemütlich wurde, ging es auf Platt weiter. Zum „Personal“ in ihrem Haushalt gehörten dabei tatsächliche und fiktive Personen. Neben den realen Herrschaften Kaufmann Böttcher, Gastwirt Grützmann, Bauer Thiessen und vielen anderen Bekannten waren darunter auch Unkel Bräsig oder Dörchläuchting aus der Feder von Fritz Reuter. Ein reicher Zitatenschatz aus den Reuterschen Werken machte manches Schwere leicht und traf oft auf verblüffende Weise den Nagel auf den Kopf. Das ist es überhaupt, was für mich den Charakter der plattdeutschen Sprache ausmacht: eine schnörkellose Klarheit, die den Schleier von oft mühevoll versteckten Unzulänglichkeiten reißt, dabei aber nicht verletzt. Plattdeutsch kommt eher mit einem Augenzwinkern daher, sagt: Ach komm, Du bist doch auch nur ein Mensch wie du und ich! Vielleicht war es dieser versöhnliche Charakter des im kleinen Stavenhagen gesprochenen Plattdeutschen, der seinen großen Sohn Fritz Reuter prägte und trotz aller Nackenschläge des Lebens bis hin zu einer siebenjährigen Festungszeit nicht verbittern und ihn am Ende seines Lebens ohne Groll und zufrieden zurückblicken ließ.

Dieser Meister des Sprachwitzes und des hintergründigen Tiefgangs ist nun schon seit 150 Jahren nicht mehr unter uns. Seine Werke aber spenden noch heute Freude, Trost und laden zum Nachdenken ein: Milieubilder, deren Entstehungszeit zwar schon etliche Jahre zurückliegt, die aber lebendig sind, als kämen die Figuren gleich ins Zimmer und setzten sich mit an den Tisch meiner Großeltern zu den Grützmanns und Thiessens.

Zu danken ist all denen, die das Schaffen und die Erinnerung an die Person in diesen 150 Jahren liebevoll lebendig gehalten haben. Auch wenn der Tod eines Menschen ein Trauertag ist, sollten wir in diesem Fritz-Reuter-Jahr dankbar sein und feiern. Schön, dass seine Zeitgenossen ihn erleben durften und er bis heute mit seinen Werken unter uns ist!

Herzlich
Ihr Heiko Miraß
Parlamentarischer Staatssekretär
für Vorpommern und das östliche Mecklenburg